Die Katastrophe

Der Katastrophe

Zwischen 1950 und 1960 wurden von der Fischereibehörde Kenias Nilbarsche (Lates niloticus) im Viktoriasee ausgesetzt, um die Fischerei effektiver zu machen. Der Nilbarsch, der eine Größe von 1,80 m und ein Gewicht von 200 kg erreichen kann, sollte den wirtschaftlichen Aufschwung der Region in die Wege leiten.
Viele Jahre fiel diese Fischart im See nicht weiter auf, bis man plötzlich in den 80er Jahren eine explosionsartige Vermehrung des Lates feststellen musste. Im gleichen Maße verschwanden aber auch viele der einheimischen Buntbarscharten. Vor allem von den Arten, die für diesen Buntbarsch leicht erreichbar waren, die Bewohner des Freiwassers, überlebten kaum welche.

So haben von über 120 fischfressenden Arten nur knapp fünf überlebt. Die größte davon, der Harpagochromis “orange rock hunter” ist aber nur noch an einer einzigen kleineren Felseninsel mit Namen Gabalema Island zu finden. Auch in viele andere Lebensräume ist der Nilbarsch eingedrungen und hat dort für das Verschwinden der Arten gesorgt. Lediglich an unzugänglichen Felseninseln konnten sich Arten erhalten. Aber auch diese Lebensräume sind bedroht. Denn hier, wo das Fischen noch Erfolg verspricht, haben sich die Einheimischen auf die Giftfischerei spezialisiert. Und dieser Fangmethode fallen alle Altersstufen der Haplochrominen zum Opfer.
Der Nilbarsch ist für die Einheimischen allerdings nicht zum Segen geworden. Bedingt durch seine Größe und Kraft ist es den Seebewohnern kaum möglich, mit ihren einfachen Fischnetzen diese Tiere zu fangen. Große Konzerne haben diese Aufgabe übernommen und fangen mit modernem Fischereigerät in großem Stil diesen Barsch. Die Einheimischen arbeiten für die Konzerne, haben aber zu wenig Geld, sich diesen Fisch selbst leisten zu können. Sie müssen von den Fischresten leben, die die Fischfabriken am See nicht verwerten können.
Aber auch dafür reicht ihr Einkommen oft nicht. Der Nilbarsch ist sehr fett und lässt sich nicht, wie die Haplochrominen, einfach an der Sonne trocknen und auf diese Weise haltbar machen. Man muss ihn räuchern Dazu braucht man Brennmaterial. Die Folge davon ist, dass weite Teile des Umlandes abgeholzt und versteppt sind. Dies wiederum bedroht die Existenz der Landbevölkerung.

Keine Bepflanzung mehr bedeutet auch, dass der Boden rund um den See nicht mehr von Wurzelwerk gehalten wird. Und so werden bei kräftigen Regenfällen große Mengen Erdreich in den See gespühlt. Das wiederum macht den See in den ufernäheren Bereichen zu einer fast undurchsichtigen “Brühe”. Diese erschwert es den dort lebenden Fischen, den richtigen Fortpflan-zungspartner zu finden.

Denn schon kurz unterhalb der Wasseroberfläche werden einige Farben des Lichtspektrums von der Wassertrübung geschluckt. Die fortpflanzungswilligen Weibchen erkennen nicht mehr sicher ihre Geschlechtspartner und laichen leicht mit Männchen einer anderen Art ab. So kommt es zu Hybridisierungen oder, wenn man so will, zur Ausbildung neuer Arten.

Das wohl eher unbeabsichtigte Einbringen der Wasserhyazinthe (Eichhornia crassiceps) hatte ebenfalls ungeahnte Folgen. Diese Schwimmpflanze, die eigentlich in Amerika zu Hause ist, vermehrte sich im See zu unglaublich großen undurchdringlichen Teppichen, die selbst die Schifffahrt blockierten. Sie verhindert den Sauerstoffaustausch des Wassers und sorgt auch dafür, dass kein Licht auf den Seegrund gelangt. Dies wiederum verhindert Algenwachstum und damit die Nahrungsgrundlage vieler Organismen im See. Wo diese Teppiche auftreten, stirbt der See ab. Mittlerweile versucht man, durch die Einbringung eines Käfers, der sich ausschließlich von dieser Schwimmpflanze ernährt, dem Wachstum der Wasserhyazinthe Einhalt zu gebieten.
Dieses Foto wurde im Februar 1984 im Nyanza Golf aufgenommen. Zu Forschungszwecken wurde dort mit einem engmaschigen Netz gefischt. Bei der Sichtung des Fangs wurde zum ersten Mal erkannt, welche Veränderungen im See vor sich gehen. Der Fang bestand ausschließlich aus Nilbarschen. Nur im Zentrum des Bildes, mit dem Kopf nach unten, ist noch ein Cichlide zu erkennen. (Foto und Copyright: Frans Witte)

Die Einbringung des Nilbarsches (Lates niloticus)
in den See

Zwischen 1950 und 1960 wurden von der Fischereibehörde Kenias Nilbarsche (Lates niloticus) im Viktoriasee ausgesetzt, um die Fischerei effektiver zu machen. Der Nilbarsch, der eine Größe von 1,80 m und ein Gewicht von 200 kg erreichen kann, sollte den wirtschaftlichen Aufschwung der Region in die Wege leiten.
Viele Jahre fiel diese Fischart im See nicht weiter auf, bis man plötzlich in den 80er Jahren eine explosionsartige Vermehrung des Lates feststellen musste. Im gleichen Maße verschwanden aber auch viele der einheimischen Buntbarscharten. Vor allem von den Arten, die für diesen Buntbarsch leicht erreichbar waren, die Bewohner des Freiwassers, überlebten kaum welche.

Die Einbringung der Wasserhyazinthe (Eichhornia crassiceps) in den See 

Das wohl eher unbeabsichtigte Einbringen der Wasserhyazinthe, die eigentlich aus Nordamerika stammt, hatte ebenfalls ungeahnte Folgen: Diese Schwimmpflanze vermehrte sich im See zu unglaublich großen undurchdringlichen Teppichen, die selbst die Schifffahrt blockierten. Diese dichten Pflanzenteppiche verhindern den Gasaustausch an der Wasseroberfläche und lassen kein Licht in die darunter liegenden Lebensräume. Das wiederum verhindert Pflanzen- und Algenwachstum, und die Nahrungsgrundlage für viele Organismen im See entfällt. Da- durch fällt auch die Sauerstoffproduktion aus. Wo diese Pflanzenteppiche auftreten stirbt der See ab. Mittlerweile versucht man durch die Einbringung eines Käfers, der sich ausschließlich von der Wasserhyazinthe ernährt, dem Wachstum dieser Pflanze Einhalt zu gebieten. 

Die Bevölkerungsdichte

Der See mit seinen Fischen als Nahrungsquelle sorgte dafür, dass im Laufe der letzten Jahr- zehnte die Bevölkerungsdichte rund um den See dramatisch zunahm. Intensive Viehhaltung hatte die Vegetation im Hinterland zerstört und weite Landstriche unfruchtbar gemacht. Die dort ansässigen Menschen sahen sich nun gezwungen, neue Nahrungsquellen zu erschließen und erhofften sich diese am und im See zu finden. Ein Nilbarsch ist sehr fetthaltig und kann deshalb nicht haltbar gemacht werden, indem man ihn einfach in die Sonne legt, wie man es mit den kleinen Buntbarschen machen konnte. Er muss geräuchert werden. Und dazu braucht man Holz. Wer sich also einen Vorrat an Fisch zulegen will, muss sich Brennholz beschaffen. Das hat dazu geführt, dass rund um den See die Vegetation stark zurückgegangen ist. Dort, wo keine Pflanzen mehr wachsen, gibt es auch keine Wurzeln mehr, die den Boden halten und Bodenerosionen verhindern könnten. Wind und Regen sorgen dafür, dass die Bodensedimente in den See gelangen. Von den verbliebenen seenahen landwirtschaftlichen Flächen werden zudem Dünger und Schädlingsbekämpfungsmittel in den See gespült. Schließlich werden auch alle Abwässer, die durch die Überbevölkerung entstehen, ungeklärt in den See geleitet. Dünger, Bodensedimente und Abwässer sorgen nun dafür, dass sich die Wasserqualität ändert. Starke Wassertrübung und extreme Vermehrung der Algen sind die sichtbaren Folgen. 

Das Ernährungsproblem. 

Ein Nilbarsch kann enorme Kräfte entwickeln und damit die einfachen Netze der Fischer zerstören. Stabile Kunststoffnetze sind für diese Fischer aber in der Regel zu teuer. Und so müssen sie ihre Arbeitskraft der Fischindustrie anbieten und für diese den Nilbarsch fangen und verarbeiten. Für große Teile der Bevölkerung ist aber diese Erwerbsmöglichkeit versperrt. Bedingt durch den Export der verarbeiteten Fische ist der Preis für Nilbarsche sehr hoch und für den einfachen Menschen nicht zu bezahlen. Er hat nur die Möglichkeit, die Fischreste, die nicht in der Fabrik verarbeitet werden, zu kaufen. Aber auch die sind für viele noch zu teuer. So sind viele Menschen dazu übergegangen, an den felsigen Arealen, die für den Nilbarsch unzugänglich sind und die Bestände der Buntbarsche noch in Ordnung waren, mit Giftfischerei diesen Tieren nachzustellen. 
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